Innovationsfabrik

– Für mich war es eine kleine Zeitreise, und auch deswegen bin ich der Einladung des Brand Club Austria (BCA) gerne nach Linz in die Tabakfabrik gefolgt. Der Markentag zum zehnjährigen Jubiläum war der Anlass, und wie immer verband man das Angenehme mit dem Nützlichen. Diesmal ging es darum, die Entwicklung eines denkmalgeschützten Industriejuwels mit 80.000 Quadratmeter Nutzfläche in einen kreativen Hotspot und gefragten Treffpunkt innovativer Unternehmen zu verstehen. (Anm.: Der Blogpost erschien erstmalig am 22.6.2016 auf Smarkeding.)

Als Student der Johannes-Kepler-Universität Linz in den Neunzigerjahren kam man an der Tabakfabrik nicht vorbei, und ich schon zweimal nicht: nur einen Steinwurf davon entfernt in der Lederergasse wohnte ich in einer Studi-WG, und musste jeden Tag (mal früher, mal später) an der Tabakfabrik vorbeifahren. Mit dem Rad natürlich, und der Weg führte mich weiter über die Eisenbahnbrücke die Donau entlang bis zum Pleschingersee … ääh, bis zur Uni – schöne Zeiten!

Zurück zum Markentag des BCA: Sowohl die Auswahl des Standorts als auch der dort vorgestellten Unternehmen zeigt, dass man bei den Themen Marke, Innovation und Design auch gern einmal um die Ecke denken sollte. Markus Eidenberger, kaufmännische Direktor der Tabakfabrik Linz, erläuterte uns im ersten Vortrag, wie gut sich das ehemalige Industrieareal in den letzten Jahren als Marke für kreatives Unternehmertum und innovative Stadtentwicklung etablieren konnte. (Die darauf folgenden Beiträge von Johann Hammerschmid und Jean-Marie Lawniczak zu Idee und Design des "Johammer Electric Cruiser" werden von mir aus Zeit- und Platzgründen in einem späteren Blogeintrag behandelt.)

Bevor ich also auf die Ausführungen von Markus Eidenberger eingehe, muss ich noch etwas ausholen:

Tabakfabrik Linz

Die Vergangenheit

Die lange Industriegeschichte des Standorts ist ausreichend dokumentiert, und reicht 350 Jahre zurück: Schon 1672 entstand die Linzer Wollzeugfabrik, einst die erste Textilfabrik Österreichs. Als 1850 die Produktion eingestellt wurde, nutzte man Teile der Fabriksgebäude zur Erzeugung von Rauch- und Kautabaken. 1859 waren so schon über 1000 Menschen beschäftigt.

Im Jahre 1928 übertrug man dem bekannten deutschen Industriearchitekten Peter Behrens und seinem Schüler Alexander Popp den Neubau der Tabakfabrik. Nach – auch wirtschaftlich – schwierigen Jahren konnten die als Stahlskelettbau errichteten Gebäude fertiggestellt und 1935 feierlich eröffnet werden.

Seit dem zweiten Weltkrieg war die Republik Österreich Eigentümer der Austria Tabak. 1997 wurden die Anteile an die ÖIAG übertragen, mit dem Auftrag zur Privatisierung. Im Jahre 2001 kaufteder britische Tabakkonzern Gallaher Group alle Anteile. 2007 übernahm die japanische JTI das Unternehmen, 2008 wurde die Schließung des Werks in Linz beschlossen, obwohl es – so wie das Werk in Hainburg, das 2011 zusperren musste – bis zuletzt profitabel arbeitete.

Die Stadt Linz erwarb das Industrieareal 2010 um 20,4 Mio. Euro und erklärte es zum Gebiet für Stadtentwicklung.

Bereits beim Eingang U2 erschließt sich der unkonventionelle Umgang, den die Stadt Linz mit den historischem Industrieareal pflegt und der ganz klar in die Zukunft weist.

Die Gegenwart

Die neu gegründete Entwicklungsgesellschaft hat seither die Aufgabe, für das Architekturjuwel mit über 38.000 Quadratmeter Nutzungsfläche ein zukunftsfähiges Konzept zu erstellen. Die Tabakfabrik soll unter anderem eine wichtige Rolle bei der internationalen Positionierung von Linz im Bereich der Creative Industries spielen. Demnach kann sie wie ein Konzern funktionieren, in dem eingemietete Unternehmen miteinander kollaborieren. Eine Kreativkette soll die diversen Bereiche, von der Forschung und Wissenschaft über die Kunst und das produzierende Gewerbe – bis hin zum geistigen und materiellen Konsumieren – auf dem Areal bündeln.

Herr Eidenberger erläuterte jene Punkte, die zum Erfolg dieser Entwicklung ganz maßgeblich beitrugen:

  1. Zwischennutzung: Wo möglich, wurden Flächen und Räume sofort genutzt, und zwar für Events, Veranstaltungen, Ausstellungen oder Konzerte. So wurde vor kurzem der einmillionste Besucher (!) der Tabakfabrik gezählt. Dabei betonte Eidenberger, dass dies mit einem jährlichen Marketingbudget von nur 40.000 Euro – und mit dem Wohlwollen der regionalen Presse – erreicht werden konnte.
  2. Weiternutzung: Jene Räumlichkeiten, die bereits als Büros vorhanden und ausgestattet waren, wurden sofort nach der Übernahme im Jahr 2010 entweder selbst – für die eigene Verwaltung – genutzt oder an Kreativunternehmen wie Architekten, Fotografen, Designer und handwerkliche Betriebe weitervermietet. Prominent: Ars Electronica Solutions
  3. Vorbereitung von Bau 2 für große Mieter: Mit über 5 Mio. Euro adaptierte man das Gebäude mit Richtung Donaulände, und holte sich große Mieter an Bord: Hochstetter Conceptstore im Erdgeschoß, darüber die Webagentur Netural, Axis Coworking und das Architekturbüro Kleboth.

Die Zukunft

Die nächste Zeit ist dem Ausbau des denkmalgeschützten Bau 1 (von dem bisher nur Stiege A in Verwendung ist) und des Magazin 3 gewidmet. Markus Eidenberger skizzierte dafür eine "Innovationskette", also eine Bündelung der diversen Bereiche, von der Forschung und Wissenschaft über die Kunst und das produzierende Gewerbe – bis hin zum geistigen und materiellen Konsumieren – auf dem Areal. Der Westteil ist nicht denkmalgeschützt und soll im Zuge eines Architekturwettbewerbes neu bebaut werden, gemeinsam mit der neuen Straßenbahnachse und unterirdischen Haltestelle.

Wir konnten während der Besichtigung des Geländes im Anschluss an die Vorträge Einblick in Gegenwart und Zukunft der Tabakfabrik bekommen.

Der Besuch des Markentages in der Tabakfabrik erfolgte auf Einladung des Brand Club Austria. Ein anderer Markentag fand bei KTM statt.

Fotos: Mag. Franz Hölzl

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